
Der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW hat mit Blick auf die ersten 100 Tage seit dem Amtsantritt der von Union und SPD gebildeten Bundesregierung eine gemischte Bilanz der Bau- und Wohnungspolitik gezogen und eine zügige Umsetzung geplanter Maßnahmen zur Erleichterung des Wohnungsbaus in Deutschland angemahnt. Man sei auf dem Weg, aber noch nicht am Ziel – so das Resümee des Verbandes. Bundesbauministerin Verena Hubertz sei mit großem Elan ins Amt gestartet und der Wille zur Beschleunigung des Wohnungsbaus sei von Anfang an deutlich erkennbar gewesen. Es müssten nun jedoch weitere Schritte folgen, damit der Wohnungsbau endlich Fahrt aufnimmt.
Einerseits habe die Devise „bauen, bauen, bauen“ gelautet, andererseits sei klar, dass die finanzielle Lage in Deutschland angespannt ist. Daher sei es umso wichtiger, an den Stellschrauben zu drehen, die keine zusätzlichen Haushaltsmittel erforderten, aber gleichwohl große Wirkung entfalten könnten. Als Beispiele hierfür nennt der GdW die schnellere Umsetzung des Gebäudetyps E und ein praxistaugliches Vergaberecht. Gerade hier bestehe aus GdW-Sicht dringender Handlungsbedarf, denn was als Beschleunigung angekündigt wurde, habe sich bislang als zusätzlicher Bremsklotz entpuppt. Der Entwurf zum Vergabebeschleunigungsgesetz verenge bestehende Spielräume, statt neue zu schaffen. Statt Klarheit und Entlastung bringe er zusätzliche bürokratische Hürden, Unsicherheiten und unnötige Dokumentationspflichten bei öffentlichen Aufträgen. Vor allem das serielle und modulare Bauen werde durch starre Vorgaben bei der Losvergabe ausgebremst.
Mit Blick auf die Einführung eines Gebäudetyps E fordert der Verband eine beschleunigte Umsetzung. Der Gebäudetyp E stehe für kostengünstiges, effizientes und technologieoffenes Bauen, und eine Vereinfachung von Baustandards sei eine zentrale Voraussetzung für einen schnelleren und wirtschaftlicheren Wohnungsbau. Bau- und Justizministerium müssten gemeinsam Rechtssicherheit schaffen, sodass Bauherren auf nicht sicherheitsrelevante Standards verzichten können. Dazu sei es erforderlich, die Besonderheiten dieses Gebäudetyps auch im Bau- und Mietrecht rechtssicher zu fixieren.
Mit dem Bau-Turbo habe die Bundesregierung ein wichtiges Signal gesetzt, doch könne dieser nur zünden, wenn die Kommunen konsequent mitziehen. Nur mit einem klaren Abwägungsvorrang gegenüber anderen Belangen lasse sich der dringend benötigte Wohnraum schaffen. Ein weiterer wichtiger Punkt im Forderungskatalog des GdW ist die zukunftsfähige Gestaltung der Förderinstrumente. So sei im Koalitionsvertrag zwar die temporäre Wiederaufnahme der EH55-Neubauförderung vorgesehen, doch fehle diese im Haushaltsentwurf 2026. Der GdW fordert ihre befristete Wiedereinführung und geht davon aus, dass dabei mit einem staatlichen Mitteleinsatz von rund einer Milliarde Euro über zehn Jahre bundesweit mehr als 50.000 Wohnungen aus dem Bauüberhang aktiviert werden könnten. Zudem müsse das Programm „Klimafreundlicher Neubau im Niedrigpreissegment“ (KNN) grundlegend überarbeitet werden, da es bislang aufgrund hoher technischer Anforderungen, unrealistischer Baukostenobergrenzen und mangelnder Kompatibilität mit Landesprogrammen kaum praxistauglich sei. Erste Anpassungen seien zwar erfolgt, doch entscheidend werde sein, ob sich das Programm tatsächlich als mit den Landesprogrammen kompatibel erweise.
„Als die ersten Pläne der neuen Bundesregierung bekannt wurden, wurden diese in der Bau- und Immobilienwirtschaft überwiegend als positives Signal gesehen. Wenn die Umsetzung nur halbherzig oder mit erheblicher Verzögerung erfolgt, drohen die erhofften stimulierenden Effekte für den Wohnungsbau jedoch auszubleiben. Es ist dringend notwendig, noch in diesem Jahr wesentliche Schritte bei der Entbürokratisierung von Bau- und Planungsprozessen umzusetzen und beispielsweise die befristete Wiederaufnahme der EH55-Neubauförderung auch im Haushalt für das kommende Jahr fest einzuplanen“, sagt Jacopo Mingazzini, Vorstand von The Grounds. „Daneben sollte auch nicht übersehen werden, dass die Bundesregierung weitere Änderungen im Mietrecht plant, die eine hemmende Wirkung auf den Wohnungsbau haben könnten, etwa die Verlängerung der Mietpreisbremse oder eine Senkung der Kappungsgrenze für Mieterhöhungen. Es ist derzeit nicht absehbar, welche Effekte letztlich stärker sein werden. Fakt bleibt jedoch: Wer den Wohnungsbau wirklich voranbringen will, sollte auf potenziell hemmende Eingriffe in den Markt verzichten und sich voll und ganz auf entlastende und stimulierende Maßnahmen konzentrieren.“