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Bundesregierung will Bauen erleichtern – IW schlägt Flächenzertifikate vor

Bundesregierung will Bauen erleichtern – IW schlägt Flächenzertifikate vor

Die Regierungen von Bund und Ländern haben am 7. November 2023 ein Maßnahmepaket beschlossen, das Planungs- und Genehmigungsverfahren deutlich beschleunigen soll. Bundeskanzler Olaf Scholz sprach in diesem Zusammenhang von mehr als 100 Einzelmaßnahmen in verschiedenen Bereichen, insbesondere auch beim Wohnungsbau. So sollen beispielsweise einmal erteilte Typengenehmigungen für das serielle Bauen künftig bundesweit gelten und der Um- oder Ausbau von Wohnungen nicht mehr an Pkw-Stellplätzen scheitern. Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) sagte unter anderem, künftig könne durch einheitliche Vorgaben schneller geplant und gebaut werden, während Bauunternehmen bisher in jedem Bundesland separate Baupläne vorlegen mussten, weil es jeweils andere Vorgaben für die Höhe von Geländern gab. Zudem solle mehr in die Höhe und auf Dächern gebaut werden, und dies – zeitlich begrenzt sowie mit Einverständnis der Gemeinde vor Ort – auch unter Verzicht auf einen Bebauungsplan. Damit wird eine Entlastung der Bauämter angestrebt. Zusätzliche Baurechte im Siedlungsbereich sowie die Festsetzung von gefördertem Wohnraum in Bebauungsplänen sollen im Zuge der geplanten Baugesetzbuch-Novelle eingeführt werden, um schneller Wohnungen bauen zu können.

Ob die geplanten Maßnahmen tatsächlich als „Bau-Turbo“ wirken können, wird von Branchenexperten und Verbänden unterschiedlich eingeschätzt. Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, sieht in dem Bund-Länder-Pakt eine Grundlage für deutlich mehr Tempo bei der Erneuerung der Infrastruktur in Deutschland. Darin würden wichtige Forderungen der Bauindustrie aufgegriffen, doch dürfe es nicht bei Ankündigungen bleiben. Bei der vorgesehenen Anpassung der Landesbauordnungen an die Musterbauordnungen bleibe der Pakt jedoch hinter den Erwartungen der Bauindustrie zurück. Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes Deutsches Baugewerbe, sagte unter anderem, die Beschränkung von Umweltverträglichkeitsprüfungen und eine Harmonisierung der einzelnen Landesbauordnungen zur Beschleunigung des Wohnungsbaus brächten allein schon mehr Tempo in die Planungsphase. Der Eigentümer-Verband Haus und Grund Schleswig-Holstein sieht vor allem die geplante Erleichterung von Dachgeschossausbauten und die Abschaffung der Stellplatzpflicht positiv, sieht im seriellen und modularen Bauen jedoch keine Lösung, um den Wohnungsbau zu pushen, da diese Bauweise sich nur bei Großvorhaben mit mehr als 100 Wohnungen lohne.

Parallel dazu kritisierte das IW Köln in einer aktuellen Analyse das Fehlen einer Gesamtstrategie im Wohnungsbau und befürchtet ein absehbares Scheitern der Wärmewende. Ein wachsendes Problem sei angesichts höherer Zinsen und Baukosten der Zielkonflikt zwischen dem Schaffen und Erhalten von bezahlbarem Wohnraum einerseits und mehr Umweltschutz und geringeren CO2-Emissionen bei Immobilien andererseits. Da die Ausweisung von neuem Bauland nicht zur Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung und zur Begrenzung der Flächenversiegelung passe, schlagen die Forscher einen bundesweiten Handel mit Flächenzertifikaten – analog zum Zertifikatehandel bei CO2-Emissionen – vor. Diese könnten nach einem degressiven Bevölkerungsschlüssel verteilt werden, sodass es in Gebieten mit großer und wachsender Bevölkerung besonders viele Zertifikate gebe.

„Es ist erfreulich, dass Bund und Länder sich endlich auf eine Reihe von Maßnahmen geeinigt haben, die von Vertretern der Bau- und Immobilienwirtschaft seit langem gefordert worden sind. So könnte beispielsweise eine Genehmigungsfiktion tatsächlich ausufernde Genehmigungsverfahren begrenzen und das Bauen beschleunigen“, sagt Jacopo Mingazzini, Vorstand von The Grounds. „Worauf es jetzt ankommt, ist eine schnelle Umsetzung der Maßnahmen vor Ort in den Städten und Gemeinden.“